Unsere wichtigsten Sinnesorgane sind für uns Fotografen die Augen. Nichtsdestotrotz setzen wir für andere künstlerische Wahrnehmungen auch gerne unsere Ohren ein. Dafür bietet sich die Möglichkeit, die weltberühmte Instrumentensammlung von Fritz Neumeyer und seinen Schülern Rolf Junghanns und Bradford Tracey im Schloss Bad Krozingen kennenzulernen. Das Schloss, eine ehemalige Propstei des Klosters St. Blasien, beherbergt im Obergeschoss derzeit 50 historische Tasteninstrumente, die sich nahezu alle in spielfähigem Zustand befinden. Sie werden mit zeitgenössischer Musik aus ihrer Bauzeit im 16. bis 19. Jahrhundert bespielt, wenn bei jährlich etwa 30 Konzerten internationale Pianisten nach Bad Krozingen kommen.
Wir sind erstaunt über die vielfältigen Formen der Instrumente und deren oft zierlichen Formen. Hergestellt für die Hausmusik in gutbürgerlichen Kreisen war für größere Instrumente einfach kein Platz in den Wohnräumen, außer natürlich bei Hofe. Es wurde mit der Ausrichtung des Saitenrahmens bzw. seiner längsten Saite experimentiert: waagrecht wie in modernen Flügeln in Blickrichtung des Pianisten oder quer dazu oder lotrecht zur Decke empor; in modernen Klavieren baut man Kompromisse ein. Man ersann ganz unterschiedliche Mechaniken, um die Saiten anzuschlagen oder anzuzupfen und erreichte einen gedämpften, sanften bis leisen Ton, der sich aber jeweils in der Tonfärbung merklich unterschied. Man baute oft zwei Manuale ein und bis zu 9 (!) Pedale, darunter einen „Janitscharenzug“, um das Schlagzeug der türkischen in die europäischen Musik zu integrieren. Rein äußerlich sehen wir hervorragende Schreinerarbeiten, Schnitzwerk, Intarsien und Malerei. Ein Augenschmaus, auch wenn man nicht selbst spielt. Aber wir haben Glück: einer unserer Mitglieder ist des Klavierspiels mächtig und intoniert Stücke, wie man sie aus New Orleans kennt. Wohl niemals zuvor haben die altehrwürdigen Instrumente solchen Sound hervorgebracht. Wir empfinden die Klänge ganz unerhört, aber total hinreißend – ein Ohrenschmaus.
Wir verlassen das Schloss bei strahlendem Sommerwetter und spazieren zum Kurpark, dessen Café-Restaurant einen Tisch unter uralten Bäumen bereit hält. Das Bier zischt oder das Eis schmilzt auf der Zunge – eine dritte Dimension, der Gaumenschmaus. Ein lohnender Ausflug zu einem Ziel der näheren Heimat, das für viele von uns ganz unbekannt war.